TWE Stahlzug Hanekenfähr - Paderborn

Die ersten Stahl- Ganzzüge fuhren 1976 vom neueröffneten Benteler Elektrostahlwerk Hanekenfähr bei Lingen auf direktem Weg über Rheine, Ibbenbüren und Hövelhof zu den Benteler Rohrwerken nach Paderborn Schloß Neuhaus. Der Transport wurde über die Strecken der Deutschen Bundesbahn DB von Hanekenfähr über Rheine nach Ibbenbüren mit DB Lokomotiven gefahren.Bei den ersten Fahrten wurden noch ölgefeuerte Dampflokomotiven der Baureihe 043 vom Bahnbetriebswerk Rheine eingesetzt. Nach Abstellung der letzten Dampflokomotive der Deutschen Bundesbahn am 29. Oktober 1977 wurden Diesellokomotiven der Baureihe 221 vom Bahnbetriebswerk Oldenburg eingesetzt. Der Stahlzug verkehrte 1 bis 2 mal im Monat.

In Ibbenbüren übernahm die private Teutoburger Wald-Eisenbahn TWE den Stahlzug mit eigenen Lokomotiven zum Weitertransport nach Hövelhof. Auf dem nördlichen Abschnitt der TWE- Strecke musste aufgrund der schwierigen Trassierung und des hohen Zuggewichtes von bis zu 1600 t mit Vorspann gefahren werden. Die TWE verfügte 1976 über vier Stangendiesellokomotiven mit Leistungen von 600 PS bis 1200 PS. Die Hauptlast des Güterverkehres auf der TWE trugen die Drehgestelllokomotiven V 131 bis V 133. Mit einer Leistung von 1300 PS waren die Lokomotiven für den schweren Nebenbahn- und leichten Hauptbahnbetrieb geeignet.


V 131 in Paderborn Nord 1985

Für die Traktion des Stahlzuges von Ibbenbüren nach Hövelhof wählte die TWE eine Lokomotive aus der 1300 PS Serie, wobei es sich um eine Privatbahnausführung der bewährten DB Baureihe 212 handelte. Für die Vorspannleistung war eine der leistungsschwächeren MaK Stangenlokomotiven V 65, V 81, V 121 und V 123 ausreichend. Ab Lengerich reichte die Zugkraft einer der Drehgestelllokomotiven der V 130er Reihe für den Weitertransport nach Hövelhof.

Ab Hövelhof war dann wieder die DB am Zuge. Von Bielefeld kam als Lokzug eine Doppeltraktion von Lokomotiven der Baureihe 211 nach Hövelhof und beförderte den Stahlzug nach Schloß Neuhaus zum Rohrwerk der Benteler Werke. Nach Auflassung des Bahnhofes Schloß Neuhaus 1979 und Umwandlung des Bahnhofes in die Ausweichanschlussstelle Awanst Benteler liefen die Züge bis Paderborn Nord durch. Der Stahlzug wurde von dort anschließend als Sperrfahrt zurück zur Awanst Benteler gebracht. Das Wagenmaterial bestand aus Drehgestellflachwagen der Gattung Rmms mit 4 Radsätzen, Rungen, Stirnwandklappen und klappbaren Ladeschwellen, jedoch ohne Seitenwandklappen für die Beförderung von schweren, langen Erzeugnissen der Eisen- und Stahlindustrie. Die entladenen Flachwagen wurden mit regulären Güterzügen der DB nach Hanekenfähr zurückgebracht und erneut beladen.


V 320 in Lengerich Hohne 30.03.1990

Die Auflösung der Rangierbahnhöfe Paderborn und Rheine führte 1981 zur Aufgabe des Einzelladungsverkehres zwischen der TWE und der DB in Hövelhof und Ibbenbüren. Der Durchgangsverkehr zwischen den Rangierbahnhöfen Rheine und Paderborn machte ca. ein Drittel des Güteraufkommens der TWE aus. Bereits 1980 schlug die DB der TWE die Beförderung der Stahlzüge auf der Gesamtstrecke von Hanekenfähr über Ibbenbüren und Hövelhof nach Paderborn Nord vor. Der schwerfällige Betriebsablauf, mit zweimaligen Umspannen in Ibbenbüren und Hövelhof, dürfte der DB diese Entscheidung erleichtert haben.

Für diese Zugleistung musste die TWE nach geeigneten Zuglokomotiven suchen, keine der vorhandenen TWE Streckenlokomotiven war in der Lage den bis zu 1600 t schweren Stahlzug allein zu befördern. Als letzte der MaK Stangenlokomotiven schied die V 123 im Mai 1981 durch Verkauf nach Italien aus dem Bestand der TWE aus. Versuche mit DB Lokomotiven der Baureihen 221 und 218 und einer Leihlok mit 1600 PS scheiterten an den starken Steigungen der nördlichen TWE Strecke zwischen Ibbenbüren und Lengerich. Versuchsfahrten mit zwei TWE Lokomotiven der V 130er Reihe waren recht erfolgreich. Um beide Lokomotiven mit einem Lokführer fahren zu können musste in den Lokomotiven eine Vielfachsteuerung eingebaut werden. Für die Fahrt auf DB Strecken wurde auch eine Indusieinrichtung benötigt. Bei fälligen Untersuchungen wurden diese Einrichtungen nachgerüstet. Die restliche TWE Strecke und die Sennebahn konnten von einer Lokomotive bewältigt werden. Die Stahlzüge verkehrten meist in den Nachtstunden, da die Lokomotiven tagsüber im Plandienst auf der TWE Strecke eingesetzt wurden.


V 320 in Gütersloh Nord 1989

In den Folgejahren war die TWE bemüht, durch leistungsstarke Gebrauchtlokomotiven die starke Belastung der 1300 PS Drehgestelllokomotiven im Stahlzugverkehr zu mindern. Die Deutsche Eisenbahn-Gesellschaft DEG, Betriebsführungsgesellschaft der TWE, kaufte im Januar 1980 die D 1 der Regentalbahn AG und stellte die Lokomotive als DEG V 201 der TWE für die Bespannung der Stahlzüge zur Verfügung. Auch diese Lokomotive mit 2 mal 1000 PS konnte den Stahlzug nicht allein befördern. Die ehemalige KHD Vorführmaschine konnte durch ihre große Störanfälligkeit nicht befriedigen und wurde im September 1981 an die Farge Vegesacker Eisenbahn weitergereicht.

Nach dem Abgang der V 201 beschaffte die DEG für den Stahlzugverkehr der TWE von der Westfälischen Landes Eisenbahn deren VL 0901 und gab der dieselelektrischen Versuchslokomotive die Betriebsnummer VE 151. Die Lokomotive wurde bis zum Eintreffen der Neubaulokomotive VE 152 eingesetzt, nach Durchführung einer Hauptuntersuchung wurde die VE 151 1983 ebenfalls an die Farge Vegesacker Eisenbahn abgegeben. Diese Lokomotiven verfügten nicht über eine Vielfachsteuerung und mussten den Stahlzug mit Vorspann bespannen, sodass jede Lokomotive mit einem Lokführer besetzt werden musste. In dieser Zeit verkehrte der Stahlzug 4 bis 5 mal im Monat.


V 320 in Hövelhof 1989

Eine dieselelektrische Neubaulokomotive mit Drehstrom Leistungsübertragung wurde im August 1982 von der TWE als VE 152 in Dienst gestellt. Der höhere Wirkungsgrad der Drehstrom Leistungübertragung, gegenüber der herkömmlichen Gleichstrom Leistungsübertragung, versprach Entlastung der drei Privatbahn V 100 im Stahlzugverkehr. Probleme in der Anpassung von MTU Dieselmotor und BBC Drehstromgenerator wurden auch durch den kompletten Austausch der Leistungselektronik nicht beseitigt.

Ab 1985 wurden dann nur noch Drehgestellflachwagen der Gattung Samms mit 6 Radsätzen, Rungen, Stirnwandklappen und klappbaren Ladeschwellen, jedoch ohne Seitenwandklappen zum Transport außergewöhnlich schwerer Lasten eingesetzt. Anfang der 1990er Jahre konnten für kurze Zeit auch sechsachsige Schwerlastwagen aus dem Fuhrpark der ehemaligen Deutschen Reichsbahn mit Seitenwänden ebenfalls der Gattung Samms im Benteler Stahlzug beobachtet werden.

Die hohe Beanspruchung der eingesetzten Lokomotiven machte, als der Stahlzugverkehr durch Stilllegung des Benteler Stahlwerkes in Schloß Neuhaus stark anstieg, den Einsatz leistungsfähigerer Diesellokomotiven nötig. Von der Hersfelder Eisenbahn Gesellschaft konnten 1989 die Lokomotiven V 30 Henschel 30400/1962, Achsfolge C`C,`2x1900PS, ex DB 232 001-8, 1989 TWE V 320 und V 31 Krupp 4047/1958 Achsfolge B`B`1900PS ex DB 216 004-2, 1989 TWE V 216 erworben werden. Während V 216 noch 1989 an die Württembergische Eisenbahn Gesellschaft WEG weitergereicht wurde, beförderte die V 320 von 1989 bis zu der Abstellung im Jahr 1992 den bis zu 90 Achsen umfassenden Stahlzug. Die leistungsstarke Lokomotive konnte den Stahlzug allein befördern. Während dieser Zeit wurde eine Maschinenanlage schadhaft, die aber wegen der geplanten Abstellung nach Fristablauf der Lokomotive nicht mehr instandgesetzt wurde. In dieser Zeit verkehrte der Stahlzug während der Tagesstunden, da für den Verkehr auf der TWE Strecke genügend Planlokomotiven vorhanden waren.


V 320 bei der Einfahrt in Paderborn Nord 1989

Aus dieser Zeit liegen einige Zahlen zur Beförderungsmenge der Stahlzüge vor:

1987 102 000 t Stahl

1988 129 857 t Stahl 120 Züge

1989 108 Züge

1990 102 Züge

1991 88 Züge

1992 100 Züge

 

Nach Abstellung der V 320 1992 waren wieder die dieselhydraulischen V 131 und V 132 und die dieselelektrische VE 152 mit der Traktion der Stahlzüge Hanekenfähr – Hövelhof – Paderborn Nord gefordert. Nun wurde der Stahlzug wieder in die Tagesrandstunden verlegt und im Nordabschnitt mit einer Doppeltraktion der obengenannten Lokomotiven gefahren. Zur Unterstützung des TWE Lokomotivparks wurde 1992 eine Drehgestelllokomotive der DR Baureihe V100.4, vergleichbar der späteren DB Baureihe 298, von den EKO Stahlwerken Eisenhüttenstadt beschafft. Die Lokomotive V104 LEW 17728/1983 hatte eine Leistung von 1000 PS/ 736 kW. Sie erreichte im Schnellgang 100 km/h und war bei der TWE auch im Stahlzugverkehr eingesetzt. Die bei der WEG nicht mehr benötigte V 216 kehrte im Juli 1993 zur TWE zurück. Nach einem Motorschaden im Frühjahr 1994 wurde die V 216 abgestellt und 1996 nach Italien verkauft.


V 133 in Paderborn Nord 1988

Um den überalterten Lokomotivpark zu verjüngen kamen 1994 die dieselhydraulischen, doppeltraktionsfähigen Neubaulokomotiven ,V 156 MaK 1000895/1994 Achsfolge B`B`1120kW und V 157 MaK 1000896/1994 Achsfolge B`B`1120kW, vom Typ G1205 zur TWE. Im Gegenzug dazu wurde die dieselelektrische Lokomotive VE 152 an die Eisenbahn Altona – Kaltenkirchen – Neumünster verkauft. Zum Jahresende 1994 kommt der Stahlzugverkehr unerwartet zum Erliegen, unter anderem war es der DB nicht möglich geeignete Flachwagen zur Verfügung zu stellen. Der Stahlzugverkehr wurde dann mit DB Fahrzeugen über die DB Strecken Hanekenfähr – Rheine – Münster – Hamm – Paderborn geführt.


VE 152 am Einfahrsignal Hövelhof 1991

Im Frühjahr 1995 kehrten die Stahlzüge wieder auf den alten Laufweg, über die TWE Strecke und die anschließende Sennebahn, zurück. Fortan wurde täglich ein Stahlzug gefahren, mit geringerem Gesamtgewicht, doch bei Bedarf wurden diese Züge auch bis zur Lastgrenze von 1800 t ausgelastet. Die geleicherten Stahlzüge konnten auf der Gesamtstrecke mit einer der Lokomotiven der V 150er Reihe gefahren werden, bei Auslastung des Stahlzuges mussten beide Neubaulokomotiven V 156 und V 157 in Doppeltraktion eingesetzt werden. Morgens wurde von Gütersloh Nord aus der in der Nacht aus Hanekenfähr geholte Stahlzug über Hövelhof nach Paderborn Nord gefahren, anschließend fuhr die Zuglokomotive als Lokzug nach Gütersloh Nord zurück. Abends erreichte ein Zug mit Stückgutwagen für das Claas Werk Paderborn den Paderborner Hauptgüterbahnhof. Auf der Rückfahrt nahm die TWE Lokomotive leere sechsachsige Flachwagen und mit Schrott beladene vierachsige Hochbordwagen mit nach Gütersloh Nord, über Nacht wurde dieser Zug dann nach Hanekenfähr und Lingen gebracht. Die Hochbordwagen wurden in Lingen abgestellt und später mit DB Lokomotiven dem Benteler Stahlwerk in Hanekenfähr zugeführt. Mit dem beladenen Stahlzug ging es dann erneut Richtung Gütersloh Nord und weiter nach Paderborn Nord. Dieser Zug wurde auch, zu fotogener Zeit, am Sonntagmorgen gefahren. Die Lokomotive V 104 erlitt 1995 einen Motorschaden und wurde später generalüberholt und an die Regiobahn Bitterfeld abgegeben.


V 156 beim Umsetzen in Gütersloh Nord

In den Folgejahren waren neben den TWE Lokomotiven auch diverse Leihlokomotiven vor dem Stahlzug zu sehen. Von verschiedenen Privatbahnen und später auch Lokomotivleasingfirmen wurden verschiedene MaK Lokomotiven angemietet. Im September 1999 wurde die V 630 MaK 1000866/1991 B`B`1120kW, G 1204 der Ruhrkohle Bahn- und Hafenbetriebe vor dem Stahlzug eingesetzt.

Im Oktober 2001 erhielt die TWE die, auf der Basis der 211 293-6 der DB, durch Vossloh Schienenfahrzeugtechnik VSFT, vormals MaK, in Moers neu aufgebaute V 144 Onrail 1004/6/2001. Bei der V 144 wurden lediglich Rahmen, Getriebe und Drehgestelle der Spenderlokomotive verwendet. Motor, Hilfsaggregate, Aufbauten und Steuerungstechnik entsprachen weitgehend denen der MaK Type G 1205. Im Jahr 2002 wurde eine Testlokomotive VSFT 1001 322/2002 B`B`1000 kW vom Typ G 1000 erprobt und auch vor dem Stahlzug eingesetzt. Dieser Lokomotivtyp ist leistungsmäßig mit der Vorgängertype G 1205 vergleichbar. Bei Ausfall von TWE eigenen Lokomotiven halfen unter anderem die Lokomotiven D 27 MaK 1000 774/1976 der Dortmunder Eisenbahn, die V 6 VSFT 1001 137/2001 G 1206 der Seehäfen Kiel und die V 524 MaK 1000 857/1991 G 1205 von Eisenbahn und Häfen in Duisburg.


V 157 in Paderborn Nord

Nach Gründung der TWE Bahnbetriebs GmbH standen der Einsatzstelle Gütersloh Nord für Verkehre auf DB Strecken Leihlokomotiven mit größerer Leistung zur Verfügung, die auch im Stahlzugverkehr Verwendung fanden. Ab 2006 waren Vossloh Lokomotiven des Typs G 1206 vor dem Stahlzug zu sehen, die mit einer Leistung von 1500 kW auch ausgelastete Stahlzüge allein befördern konnten. Eigentümer dieser Lokomotiven waren verschiedene Leasing- Gesellschaften wie ATC oder MRCE, aber auch Veolia, Betriebsführer der TWE, die Dortmunder Eisenbahn und auch die benachbarte Westfälische Landes- Eisenbahn stellten diese Lokomotivtype mehrfach leihweise zur Verfügung.

Zum 1.10.2010 kündigte DB Schenker Rail die Kooperation über die Wechselverkehre auf die Infrastruktur der Teutoburger Wald-Eisenbahn-AG und den Stahlzugverkehr für die Firma Benteler in Paderborn. Der Stahlzugverkehr läuft nun über DB Strecken Hanekenfähr – Münster – Paderborn mit Elektrotraktion. Damit endet die Geschichte der Benteler Stahlzüge von Hanekenfähr über die Strecke der TWE nach Paderborn Nord.

Quellen:

Verschiedene Ausgaben von Eisenbahn Magazin, Eisenbahn Kurier, Lok Report, Lokrundschau, Drehscheibe, Jahrbuch Schienenverkehr und Die Kleinbahn

Frank Bachmann, Der TWE Knüppelzug auf www.zu-den-zuegen.de

Josef Högemann, Die Teutoburger Wald-Eisenbahn, Verlag Kenning